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Tornados


Tornados sind eine schreckliche Naturgewalt. Wenn es um die Heftigkeit der Zerstörung auf kleinerem Raum geht, so ist kein Sturm mit einem Tornado vergleichbar. Die Windgeschwindigkeiten im Innern des Rüssels können 500 Stundenkilometer erreichen und der Druck ist dort so niedrig, dass Häuser regelrecht explodieren, wenn ein Tornado darüberzieht!

Zunächst gibt es bei diesem Thema einige Irrtümer auszuräumen. Der erste ist, dass Tornados in unseren Breiten meist als Windhosen bezeichnet werden. Es ist aber ein und das selbe, Windhose = Tornado!

Damit ist auch gleich der zweite Irrtum geklärt, nämlich der das Tornados ausschließlich nur in den USA vorkommen. Das was von vielen hierzulande als "Windhose" bezeichnet wird, ist aber genau das selbe als das, was in den USA als Tornado bezeichnet wird!

Tornados kommen sehr wohl auch in Mitteleuropa vor, und nicht gerade wenig! Wer das nicht glaubt, braucht nur einmal auf die Tornadoliste von Thomas Sävert zu schauen! Auch in Schleswig-Holstein können Tornados entstehen, wie es die jüngste Vergangenheit schon oft bewiesen hat! Allerdings sind starke Tornados in Deutschland eher selten, können hier aber auch vorkommen wie z. B. der Tornado am 10. Juli 1968 in Pforzheim.



Entstehung von Tornados

Die Frage nach der Entstehung eines Tornados kann auch heute noch nicht in allen Einzelheiten beantwortet werden. Ein Tornado entsteht in unseren Breiten meist aus einer Gewitterzelle, also einer Cumulonimbuswolke. Cumulonimbuswolken entstehen im Sommer besonders im Bereich von kräftigen Kaltfronten, wo die nachfolgende, kühlere Luft die Warmluft vor der Front nach oben drückt und so zur Entstehung gewaltiger Cumulonimben führt. Damit aus einer Gewitterzelle ein Tornado entstehen kann, müssen entlang der Luftmassengrenze Windscherungen vorhanden sein, das heißt der Wind ändert seine Richtung oder Geschwindigkeit über ein bestimmtes Gebiet und / oder mit der Höhe. Dies führt dazu, dass die Gewitterzelle in eine langsame Eigenrotation gegen den Uhrzeigersinn versetzt wird. Die Gewitterzelle wird zu einer sogenannten Superzelle.

Bei gewöhnlichen Gewitterzellen, die keine Eigenrotation aufweisen (wie sie meist in Europa auftreten), fällt der Regen in die Aufwindzone und bremst das Wachstum der Wolke nach oben. Besitzt die Gewitterzelle aber eine Eigenrotation, so drehen sich die Aufwinde in der Gewitterzelle (Mesozyklone) ebenfalls und der fallende Regen gelangt nicht mehr in die Aufwindzone, da er von dieser weggedreht wird. Dies führt zu einem verstärkten Wachstum der Wolke nach oben, die jetzt die Grenze der Troposphäre in 10 km Höhe durchbrechen kann. Dadurch steigert sich der drehende Aufwind noch erheblich und wird langsam nach innen gezogen. Durch die Erhaltung des Drehmomentes erhöht sich die Geschwindigkeit immer mehr, je kleiner der Durchmesser der rotierenden Luftsäule wird (genau wie sich die Geschwindigkeit einer Eiskunstläuferin erhöht, wenn sie die Arme an sich zieht!). Wenig später senkt sich der rotierende Luftwirbel zu Boden und wird als Tornado sichtbar.

Man unterscheidet grundsätzlich zwei Typen von Tornados:



Mesozyklonale Tornados (Typ I)

Diese Tornados entstehen unter Superzellen. Superzellen entstehen bei einer starken vertikalen Windscherung und haben einen rotierenden Aufwind, auch Mesozyklone genannt. Dieser rotierende Aufwind bildet den Tornado. Vor der Entstehung eines Tornados kommt es meist zu einer Absenkung der Wolkenbasis, die man als Wallcloud bezeichnet.



Nichtmesozyklonale Tornados (Typ II)

Diese Tornados entstehen nicht unter einer Superzelle und sind daher nicht an eine Mesozyklone gekoppelt. Typ II Tornados entstehen in einer windschwachen Umgebung bei einer starken horizontalen Windscherung, meist bei labiler Höhenkaltluft unterhalb von Schauer- oder Gewitterwolken. Die horizontale Windscherung tritt besonders im Bereich von Konvergenzlinien auf (Windsprung). Bei Typ II Tornados reicht die Rotation nicht weit über die Wolkenbasis nach oben. Auch sind sie meist schwächer als die Typ I Tornados. Typ II Tornados können über Land und über Wasser entstehen. Im letzteren Fall werden sie Wasserhosen genannt.

Ein Beispiel hierfür ist ein Tornado, der am 26. Juli 1993 südlich von Neumünster entstand. Ein weiteres Beispiel ist ein Tornado, der am 5. Januar 1998 auf der Rückseite eines Sturmtiefs über dem Ärmelkanal entstand, und dann weiter in das Landesinnere von England zog und dort schwere Schäden angerichtet hatte. Auch bei dem verheerenden Orkan Lothar am 26. Dezember 1999 sind mehrere Typ II Tornados gesehen worden.



Die Fujita-Skala

1971 entwickelte Dr. Tetsuya Theodore Fujita (1920 - 1998) eine Stärkenskala für Tornados. Die Stärke eines Tornados läßt sich anhand der von ihm verursachten Schäden schätzen. Der bekannte Tornado von 10. Juli 1968 in Pforzheim war z. B. ein F4!


Stufe km/h m/sec Auswirkungen
F0 64 - 116 < 32,5 Leicht; leichte Schäden an Schornsteinen, abgebrochene Äste an Bäumen, flach wurzelnde können entwurzelt und Plakatwände beschädigt werden.
F1 117 - 180 32,5 - 50 Mäßig; Dachbedeckungen und Dachziegel werden abgeworfen, Wohnwagen oder Wohnmobile umgeworfen und fahrende Autos weggeschoben werden.
F2 181 - 253 50 - 70 Stark; Dächer werden komplett abgedeckt, Wohnwagen zerstört, große Bäume entwurzelt, leichte Gegenstände können zu gefährlichen Geschossen werden.
F3 254 - 332 70 - 92,5 Verwüstend; Dächer und leichte Wände werden von Häusern abgerissen, Züge entgleisen, die meisten Bäume in einem Wald werden entwurzelt und schwere Fahrzeuge wie LKW umgeworfen oder verschoben.
F4 333 - 418 92,5 - 116,5 Vernichtend; Holzhäuser mit schwacher Verankerung werden vefrachtet, Autos umgeworfen, und auch größere Gegenstände werden zu gefährlichen Geschossen.
F5 419 - 512 116,5 - 142,5 Verheerend; Holzhäuser werden aus ihren Fundamenten gerissen und zerstört, Straßenasphalt herausgerissen.
F6 513 - 612 142,6 - 170,1 Theoretisch - wurde bis jetzt noch nicht beobachtet.


Gustnados

Ein Gustnado ist eine sogenannte Kleintrombe. Kleintromben haben nur eine geringe vertikale Höhenerstreckung und stehen auch nicht im Zusammenhang mit den Aufwinden konvektiver Wolken wie z. B. Cumulonimbuswolken.


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Der Durchzug einer Böenfront
ist oft mit verwirbelten tiefen Wolkenformationen verbunden
© Mario Lehwald


Ein Gustnado tritt an Böenwalzen oder Böenfronten auf, die bei ihrem Durchzug oft stark verwirbelte Wolkenformationen zeigen. Ein Gustnado kann ebenfalls wie ein Tornado Bodenkontakt haben. Der Gustnado steht im Gegensatz zu einem Tornado nicht im Zusammenhang mit dem Aufwind einer Gewitterzelle, denn Böenfronten liegen ja meist knapp vor einem Gewitter. Ein Gustnado hat also keinen Kontakt zur Wolkenbasis der Gewitterzelle. Kommt so ein Gustnado in Berührung mit dem Aufwindbereich der Gewitterzelle, kann er sich verstärken und zu einem Tornado werden.



Beispiele für Wetterlagen mit Tornados in Europa

Der Tornado vom 8. Januar 1998 in England:

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In der Nacht auf dem 8. Januar 1998 ist auf der Rückseite eines Sturmtiefs über dem Ärmelkanal ein Tornado entstanden, der wenig später in England schwere Schäden angerichtet hat.

Das Satellitenbild vom 7. Januar 1998, 18.47 MEZ, zeigt gewaltige Gruppen von Cumulonimbuswolken. Unter einem dieser weißen Flecken ist später der Tornado entstanden.


Quelle des Satellitenbildes: Wetterzentrale


Schwerer Wettersturz vom 2. Juni 1999 in Deutschland:

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Am Nachmittag des 2. Juni 1999 zog eine Kaltfront über Deutschland hinweg. Dabei kam es in Mittel- und Süddeutschland zu ungewöhnlich heftigen Unwettern mit Temperaturstürzen von über 30 Grad auf 16 Grad in wenigen Minuten!!! Laut Berichten aus dem Fernsehen sind bei diesem Unwetter auch Tornados entstanden.

Das Satellitenbild zeigt die Situation gegen 18.17 MEZ über Deutschland.


Quelle des Satellitenbildes: Wetterzentrale



Der Tornado von 1993 im Raum Neumünster

Am 26. Juli 1993 entstand gegen 11 Uhr vormittags im südlich von Neumünster ein Tornado, der überwiegend durch Waldgebiete zog, aber auch den Ortsrand von Großenaspe gestreift hatte. Unter anderem wurde auf der A7 ein Wohnwagen von einem PKW abgerissen und landete 100 Meter weiter auf einem Feld. Weiterhin wurden ca. 20 Häuser beschädigt; Dächer und Schornsteine abgerissen. Obwohl die Schäden beträchtlich waren, kamen alle Bewohner mit dem Schrecken davon; verletzt wurde zum Glück niemand. Bilder von den Spuren dieses Tornados sowie viel weitere Tornados über Deutschland gibt es in der:

Tornadoliste von Thomas Sävert



18. Oktober 1971 - Tornado rast durch den Nordteil von Kiel

Ich war damals erst knapp 3 Jahre alt und habe daher von dem Geschehen nichts mitbekommen. Nach Aussage meiner Mutter war ich damals mit ihr in der Stadt am Dreiecksplatz gewesen. Mein Vater hat den Tornado allerdings gesehen, da er recht nahe an unserem Haus vorbeigezogen ist. Um genaueres zu erfahren, habe ich Ende der 90er Jahre im Archiv der Landesbibliothek Schleswig-Holstein nach Zeitungsartikeln gesucht und wurde fündig.

Am frühen Abend des 18. Oktober 1971 entluden sich in Schleswig-Holstein im Bereich einer heranziehenden Kaltfront überraschend schwere Gewitter. In Kiel-Suchsdorf entstand wenig später ein Tornado. Er deckte anschließend das Dach des Bahnhofsgebäudes ab und drückte die Stirnwand (eine Ziegelwand!) der Miele-Fabrikhalle völlig ein.

Mein Vater saß zu dieser Zeit gerade auf dem Dach unseres Hauses und deckte es neu, als es im Westen schwarz wurde. Wenig später hörte er ein starkes Pfeifen und sah dann auch schon den Tornado etwa 100 Meter westlich von unserem Haus. Der Tornado passierte unser Haus südwestlich in einem Abstand von nur etwa 50 Metern. Auf der Eckernförder Straße hob er zwei Autos hoch, die dann in der Luft zusammenknallten und anschließend wieder zu Boden fielen.

In wenigen Minuten zog der Tornado weiter durch den nördlichen Teil von Kiel und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. Nach einem Artikel in den Kieler Nachrichten wurden über 80 Dächer abgedeckt, Autos zerstört, Bäume entwurzelt, Telegrafenmasten wie Streichhölzer umgeknickt und Fensterscheiben zerbrochen. Weiterhin wurde ein siebenjähriges Mädchen durch die Sogwirkung des Tornados aus ihrem Zimmer im dritten Stock herausgerissen, nachdem die Scheiben zerstört wurden. Durch den Tornado wurde das Kind allerdings recht sanft auf dem Boden abgesetzt und erlitt zum Glück nur leichtere Verletzungen.

Das Dach der Hebbelschule wurde fast komplett in die 700 Meter entfernte Förde geweht. Viele Stücke vom zerstörten Dach blieben in den Kronen der Bäume hängen. Wenige Minuten später zog der Tornado in den Kreis Plön und zerstörte dort mehrere Bauernhöfe. Die Besitzer haben der Presse gesagt, was sich dort am Montag Abend abgespielt hatte, war schlimmer als nach einen Bombenangriff.



5. Mai 1973 - Tornado wütet in Kiel

Auch zu diesem Tornado fand ich Ende der 90er Jahre im Archiv der Landesbibliothek Schleswig-Holstein einige Zeitungsartikel.

Demnach soll sich an diesem verkaufsoffenen Samstag der Himmel gegen 17.45 in Kiel verdunkelt haben und ein kräftiges Gewitter aufgezogen sein. Auch Hagel war dabei. Gegen 17.20 Uhr soll am Rande des Barloher Geheges im Kreis Rendsburg-Eckernförde ein Tornado entstanden sein. Er raste auf die Landeshauptstadt Kiel zu. Dabei wurden ganze Bauernhöfe zerstört, Hochspannungsmasten wie Streichhölzer umgeknickt und Weidetiere erschlagen.

Nach Augenzeugen soll sich wenig später über den Russee von Südwesten her aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde kommend eine schwarze Wand genähert haben. Über dem Russee wirbelten anschließend Äste, Papier und Müll.

Auf einer rund 9 Kilometer langen Schneise deckte der Wirbelsturm reihenweise Dächer ab, zerstörte weit über hundert Autos, warf Bäume und Kräne um, knickte Lichtmasten und Verkehrsschilder um und zertrümmerte tausende von Fensterscheiben. In Kiel wurden am Sophienblatt durch die herumfliegenden Trümmer innerhalb weniger Sekunden über 100 Autos zu Schrotthaufen verwandelt. Ein 14 jähriger Schüler wurde von einem herabstürzenden Dach erschlagen. Der Kieler Hauptbahnhof erlitt schwere Beschädigungen und auch das Dach des Finanzamtes wurde fast völlig abgedeckt sowie sämtliche Fensterscheiben zerschlagen. Selbst die massive Gablenzbrücke soll in ihren Fundamenten geschwankt haben.

Von Sophienblatt raste der Tornado weiter über die Förde in das HDW-Gelände. Hier wurde das Oberteil eines 60-t-Kranes abgerissen und auf einen sich im Bau befindlichen Tanker geschleudert. Zwei weitere 16-t-Kräne wurden umgeworfen. Weiter zog der Tornado auf dem Ostufer durch Ellerbek und Wellingdorf. Bei der Schwentinebrücke schließlich ließ seine Gewalt langsam nach.

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